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Luftwurzeln

Hobrechtstr. 64 12047 Berlin - zum Stadtplan
Donnerstag 05.10.2023 - Anfangszeit: 20:00 Uhr
Bescheinigungen in der Vernehmung, Luftwurzeln

Mit Irina Bondas & Felix Schiller, Miji Ih & Hara Shin und Douglas Pompeu

Fuk;s Bar, Hobrechtstr. 64, Kaminzimmer | 5.10.2023, 20 Uhr | Eintritt frei

Dokumentarisches findet in lyrischen Texten immer stärkere Verwendung und Verfremdung. Im Bearbeiten, Arrangieren und Verschreiben, in Struktur- und Wortanleihen kann Poesie die Absurdität und Abstraktion, mitunter auch die Grausamkeit, bürokratischer Sprach- und Menschzurichtungen erfahrbar machen und gleichzeitig mit ihnen und gegen sie arbeiten.

Aus der Adoptionsindustrie heraus, die koreanische Säuglinge seit dem Koreakrieg in die USA und nach Westeuropa vermittelt, zwischen ihrer Verwandtschaft im Norden Koreas, ihrer Familie im Süden und der transnationalen Diaspora findet Jennifer Kwon Dobbs in Vernehmungsraum (Palm Art Press, 2022) widerständige poetische Formen, um dem Sprachraub in Krieg und Kindesvermittlung eine Kultur der Intimität entgegenzustellen. Die Frage nach der koreanischen Mutter treibt sich durch Schwärzungen, juristische Artikel, Postkarten, einen Essay, Fotos, Originaldokumente und multilinguale Gedichte. An dem Abend stellen ihre Übersetzer:innen Irina Bondas und Felix Schiller den Band vor, lesen Texte daraus und sprechen auch über das kollaborative Übertragen von Gedichten.

Das Künstlerinnenduo Miji Ih & Hara Shin zeigt seine multimediale Installation In der Luft Wurzeln schlagen, die auf der neuen digitalen Plattform des Literarischen Colloquiums Berlin, VOOO – Villa of One’s Own, zu finden ist. Ausgehend vom Botanischen Garten in Berlin-Steglitz lassen sie die Metapher der Luftpflanze durch verschiedene Medien wie Text, Bild, Video und digitales Objekt rotieren. Dabei wird die kolonialisierte Assoziation zwischen Technologie, Natur und Menschlichkeit genau so aufgelöst wie die Frage gestellt, was es bedeutet, als asiatische Frau in westlichen Gesellschaften unter den Bedingungen eines patriarchalen Systems Teil einer Diaspora zu sein. "Die Freiheit sieht man wahrscheinlich erst, wenn man seine Wurzeln aus der Erde gezogen hat."

Fiktionsbescheinigung ist der Titel eines im Entstehen begriffenen Lyrikbands von Douglas Pompeu, der 2024 erscheinen soll. Er entwickelt an Grau- und Übergangszonen eine Amtspoetik, eine lyrische Kontaktsprache, die im Zustand des Wartens in Ausländerbehörden entsteht. Als Grundmetapher und Strukturgeber liegt dem Band die reale Bescheinigung für einen fiktiven Aufenthalt in Deutschland zu Grunde, mit der Ausländer:innen das Bestehen eines vorläufigen Aufenthaltsrechts nachweisen. In Anlehnung an das Sachgebiet IV der Ausländerbehörde vom Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (LABO) in Berlin gliedert sich fiktionbescheinigung in fünf Abteilungen, die jeweils den Ausgangspunkt für einen Gedichtzyklus darstellen. Die Zyklen werden von einem weiteren Zyklus durchzogen, der sie organisiert und verknüpft und wie die Intervention eines Sachgebietsleiters funktioniert.

Douglas Pompeu lebt in Berlin als Übersetzer und freier Autor. 2022 publiziert er habeas corpus. 12 Sonetten und eine öffentliche Ode und momentan arbeitet er an seinem Lyrikband fiktionsbescheinigung, der 2024 erscheinen soll. Seit 2017 ist er Redaktionsmitglied des Literaturmagazins alba.lateinamerika lesen. Ins brasilianische Portugiesische übersetzte er Werke von Jan Wagner, Marcel Beyer, Arno Holz und Kurt Schwitters. Eine seiner Erzählungen ist in Lingua Franca (Art In Flow, 2019) erschienen. Schreibt den Blog notas com picotes e grampos: http://glaspo.tumblr.com

Miji Ih (*1990 in Seoul/KR) ist eine in Berlin lebende koreanische Fotografin und bildende Künstlerin. Sie untersucht Themen der Weiblichkeit – entlang der Phasen des Lebenszyklus, wie etwa Zugehörigkeit, Emanzipation, Lust und Arbeit. Aktuell beschäftigt sie sich mit der Frage, was es bedeutet, als asiatische Frau in westlichen Gesellschaften unter den Bedingungen eines patriarchalen Systems Teil einer Diaspora zu sein. Sie schloss ihr Studium 2021 als Meisterschülerin von Prof. Josephine Pryde an der Universität der Künste Berlin ab. Zuvor studierte sie Photography, New Document an der Kaywon School of Art & Design in Südkorea (bis 2013). 2023 erhält sie das Elsa-Neumann-Stipendium des Landes Berlin.

Hara Shin (*1987 in Seoul, Südkorea) lebt und arbeitet in Berlin, Deutschland. Sie studierte Kunst und Medien an der Universität der Künste Berlin und Bildende Kunst an der Hongik-Universität in Seoul. Ihr Austauschstudium verbrachte sie im Bereich Kunst- und Bildgeschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin. Ihre Filme/Videos und Multimedia-Installationen, in denen sie unsere Identitäten in Bezug zur Körperlichkeit und zur umgebenden Landschaft auf radikale Weise hinterfragt, wurden international ausgestellt. Ihre Ausstellungen rekonstruieren Perspektiven und reflektieren die Isolation und Koexistenz von Menschen und Nicht-Menschen, indem sie die kolonialisierte Assoziation zwischen Technologie, Natur und Menschlichkeit aufbrechen.

Jennifer Kwon Dobbs (an dem Abend nicht vor Ort) wurde in Wonju-si, Südkorea, als Heo Lee Sujin geboren und nach Oklahoma adoptiert. Sie erhielt einen Master of Fine Arts im Fach Dichtung an der University of Pittsburgh und promovierte in Literatur und kreativem Schreiben an der University of Southern California. Vernehmungsraum ist ihr zweiter Gedichtband, bereits 2007 veröffentlichte sie "Paper Pavillion" (White Pine Press). Bei hochroth Bielefeld erschien 2019 das Chapbook Necro Citizens/Nekrobürger in einer englischen und einer deutschen Ausgabe. Ihre Gedichte wurden ins Bulgarische, Deutsche, Griechische, Koreanische und Türkische übersetzt. Sie ist Professorin für Englisch am St. Olaf College und unterrichtet dort kreatives Schreiben und asiatisch-amerikanische Studien.

Mit freundlicher Unterstützung des Bezirksamts Neukölln






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von: Ich fang nochmal an

Bilder aus Berlin