Santiago Sierra fotografiert seit 2008 Gebisse: Zähne von Sinti und Roma in Neapel, von Migrant*innen in Tijuana, von Geflüchteten aus dem Nahen Osten und vielen weiteren. Diese Arbeiten sind emblematisch für Sierras Œuvre, das sich oftmals mit der „Wiedervermenschlichung“ von Menschengruppen beschäftigt, die durch Wirtschaft, Migration und Vorurteile entmenschlicht worden sind. Der Akt des „Zähne-Zeigens“ rührt an unsere primitivsten Verhaltensweisen. Er stellt eine viszerale Handlung der Bedrohung und der Verteidigung dar, wie es die universell verstandene Redewendung verdeutlicht. Der Zeitgeist – der Titel, den Sierra seinem Projekt für die n.b.k. Fassade gegeben hat – spiegelt einen Moment der Angst und der Bedrohung wider, des Angriffs und der Verteidigung, des Zeigens von Stärke und des Verbergens von Zerbrechlichkeit. Der Zeitgeist beklagt die Rückkehr zu einer primitiven, vorsprachlichen Position, die das soziale Verhalten von Individuen, Gruppen und staatlichen Akteur*innen gleichermaßen erfasst.