Im Schatten der Verfassung - Die Voraussetzungen des Liberalismus
Einführung und Moderation: Joseph Vogl (HU Berlin)
Der Liberalismus ist eine Theorie und Praxis der öffentlichen Ordnung, die das Gemeinwesen auf einen ganz anderen Grund stellt als alle Konzeptionen, die ihm geschichtlich vorhergehen (und ebenso die, die sich ihm entgegensetzen). Der Liberalismus geht vom Faktum der individuellen Freiheit aus; die Freiheit des Einzelnen gilt ihm als eine Tatsache, die er voraussetzt. Aber genau darin gründet zugleich die Krise des Liberalismus, auf deren Aufweis seine Kritik zielt. Diese Kritik will zeigen, dass sich der Liberalismus in ein Dilemma verstrickt. Er setzt die Freiheit voraus, aber er kann sie mit seinen eigenen Mitteln, den Mitteln des liberalen Rechts, nicht sicherstellen. Damit setzt die liberale Ordnung eine expansive Tätigkeit des Regierens frei, die nicht mehr der liberalen Form des Rechts entspricht. Die liberale Ordnung unter- und überschreitet sich permanent selbst.
Christoph Menke, Professor für praktische Philosophie mit besonderem Schwerpunkt der politischen Philosophie und der Rechtsphilosophie an der Goethe-Universität Frankfurt am Main; Menke zählt zu den Vertretern der sog. »Dritten Generation« der Frankfurter Schule; neuere Monographien: »Die Gegenwart der Tragödie« [2005], »Kritik der Rechte« [2015], mit Arnd Pollmann: »Philosophie der Menschenrechte« [2007], »Die Kraft der Kunst« [2013]; im Exzellenzcluster »Normative Orders« der Universität Frankfurt leitet er das Projekt »Normativität und Freiheit«.